Die Philosophische Fakultät der Universität Tokyo (1877-1886)

Die ursprüngliche Universität Tokyo entstand aus der Zusammenlegung zweier Forschungs- und Lehrinstitutionen, die noch aus der Edo-Zeit (1603 bis 1868) stammten: Am 12. April 1877 wurde die Tokyo Kaisei Schule reorganisiert und in die Fakultäten für Jura, Naturwissenschaft und Philosophie unterteilt; die Medizinische Hochschule Tokyo kam als Fakultät für Medizin hinzu. Der Seinan-Zivilkrieg, der Ende Januar dieses Jahres ausbrach, war damals noch nicht zu Ende.

Zu diesem Zeitpunkt bestand die Philosophische Fakultät aus zwei Abteilungen. Die eine widmete sich der Geschichte, Philosophie und Politik, die andere den Literaturen Japans und Chinas. Vorherrschend war die Absicht, die Rezeption der westlichen Wissenschaften mit der Bewahrung eigener Wissenschaftstraditionen zu vermitteln. Die Idee der Integration von östlichem und westlichem Wissenschaftssystem, die am Beginn der Fakultät stand, prägte auch den Lehrplan. Für die Studenten der ersten Abteilung war die japanische und chinesische Literatur drei Jahre lang Pflichtfach, und für die der zweiten Abteilung die Englische Literatur. Bekannte Professoren dieser Zeit sind Masakazu Toyama, der Psychologie, Anglistik und Soziologie lehrte, Masanao Nakamura für chinesische Literatur und Ernest F. Fenollosa für Philosophie, Ästhetik und Politik.

Hochschule für Philosophie an der Kaiserlichen Universität (1886-1919)

Am 2. März 1886 verkündete die Regierung Hironobu Ito die Grundordnung der von nun an so genannten Kaiserlichen Universität. Diese Grundordnung formulierte, dass in der Kaiserlichen Universität „die Wissenschaften und Kompetenzen, derer der Staat bedarf, dauerhaft gelehrt und vertiefend erforscht werden“. Die Kaiserliche Universität entstand aus der Zusammenlegung vier einzelner Hochschulen: der Universität Tokyo unter Verwaltung des Kulturministeriums, der Juristischen Hochschule unter dem Justizministerium, der Technischen Hochschule unter dem Industrieministerium und der Landwirtschaftlichen Hochschule unter dem Agrar- und Handelsministerium. Damit trat die Kaiserliche Universität an die Spitze des Bildungswesens in einem neuen staatlichen System, das durch die Verschiebung der politischen Macht zum Kabinett hin im vorigen Jahr charakterisiert war.

Bei dieser Neuorganisation erhielten die Geisteswissenschaften den Status einer Hochschule für Philosophie neben den Hochschulen für Jura, Medizin, Technik und Naturwissenschaft. Zu den Abteilungen für Philosophie, Japanische Literatur und Chinesische Literatur trat eine vierte Abteilung für Sprachwissenschaft. Danach wurden auch die Abteilungen für Geschichte, Englische Literatur, Deutsche Literatur und Französische Literatur gegründet. Zu dieser Zeit waren hier viele ausländische Professoren tätig wie Basil Hall Chamberlain in Sprachwissenschaft, Ludwig Riess in Geschichte, Raphael von Koeber in Philosophie und Ästhetik, Lafcadio Hearn (alias Yakumo Koizumi) und James Main Dixon in Englischer Literatur. An dieser Reihe prominenter Wissenschaftler lässt sich der Geist einer Zeit ablesen, in der Japan als zurückgebliebenes „Weltreich“ vehement den Anschluss an die Wissenschaftsentwicklung suchte.

Die Philosophische Fakultät an der Kaiserlichen Universität (1919-1949)

Im April 1919 wandelte die Regierung Takashi Hara die Hochschule für Philosophie in die Philosophische Fakultät mit 19 Abteilungen um: für Japanische Literatur, Japanische Geschichte, Chinesische Philosophie, Chinesische Literatur, Östliche Geschichte, Westliche Geschichte, Philosophie, Indische Philosophie, Psychologie, Ethik, Religionswissenschaft und Religionsgeschichte, Soziologie, Pädagogik, Ästhetik und Kunstgeschichte, Sprachwissenschaft, Indische Literatur, Englische Literatur, Deutsche Literatur und Französische Literatur.

Dies geschah in der Taisho-Zeit (1912-1926) und führte eine neue Entwicklung und Unabhängigkeit in den Wissenschaften der Fakultät herauf. Die repräsentativen Professoren dieser Ära sind Masaharu Anezaki in Religionswissenschaft, Katsumi Kuroita und Zennosuke Tsuji in Japanischer Geschichte, Sanjiro Ichimura und Kurakichi Shiratori in Östlicher Geschichte, Genpachi Mitsukuri und Kengo Murakawa in Westlicher Geschichte, Yoshito Harada in Archäologie, Seiichi Taki in Ästhetik, Shinkichi Hashimoto in Japanischer Sprachwissenschaft, Tsukuru Fujimura in Japanischer Literatur, Sanki Ichikawa und Takeshi Saito in Englischer Literatur, Kinji Kimura in Deutscher Literatur, Yutaka Tatsuno und Shintaro Suzuki in Französischer Literatur sowie Tongo Tanabe und Teizo Toda in Soziologie.

Diese Blütezeit dauerte jedoch nicht lange. Bald warfen die Weltwirtschaftskrise und der Krieg ihre Schatten auf die Entwicklung der Wissenschaft. Der Materialismus drang rasch vor und schwächte das geistige Leben, Gedankenkontrolle wurde ausgeübt. An seine Seite trat der Nationalismus, der starken Einfluss auf die Fächer der Philosophischen Fakultät ausübte. Die Vorlesungen der Historiker Kiyoshi Hiraizumis über japanische Geistesgeschichte sind ein Beispiel dafür. Andererseits setzten viele Professoren, darunter Tetsujiro Inoue und Genryo Kuwaki in Philosophie, Tetsuro Watsuji in Ethik, Yoshinori Onishi in Ästhetik und Toshiki Imai in Westlicher Geschichte, ihre solide Forschung und liberal geprägte Lehre fort.

Als sich das Geschehen vom Japanisch-Chinesischen Krieg zum Pazifikkrieg ausweitete, wurde die Befreiung der Studenten vom Wehrdienst aufgehoben. Ab Oktober 1943 galt dies auch für die Studenten der Geisteswissenschaften. Der Dokumentation „Mobilisierung und Kriegseinsatz der Studenten an der Tokyo Universität“ zufolge beträgt die Zahl der Gefallenen 296. Bei dem Anteil der Gefallenen an der Gesamtzahl der Studenten steht die Philosophische Fakultät an vierter Stelle nach Medizin, Jura und Wirtschaft.

Die Philosophische Fakultät der Universität Tokyo in der Nachkriegszeit

Während des Krieges entgingen die Universitätsgebäude auf dem Hongo-Campus, außer dem abgebrannten Kaitoku-Gebäude, selbst den Zerstörungen durch den großen Luftangriff auf Tokyo im Mai 1945. Unmittelbar nach der Niederlage Japans blühte die Fakultät wieder auf, indem sie die Studierenden, die das Studium unterbrochen oder nur provisorisch abgeschlossen hatten, um ins Heer einzutreten, wieder aufnahm. Das Bildungsgesetz von 1947 öffnete das Universitätsstudium prinzipiell allen, die die Sekundarstufe abgeschlossen hatten. Nach einer Reihe von Reformen im Bildungswesen wurde 1949 die Universität Tokyo in der bis heute bestehenden Form neu organisiert.